Kann denn Siegen Sünde sein? Thema Wettbewerb beim Sommerempfang der FDP-Regionalfraktion

Wenn die Region das Spiel der Kräfte regelt, dann für Breuninger und alle anderen gleich

„Kann den Siegen Sünde sein?“ Die Antwort auf diese Frage, hieß beim Sommerempfang der FDP-Regionalfraktion in Sindelfingen im Prinzip nein.

2016-06-30 sommerempfang referentenWenn Region und regionale Firmen „in der Championsleague spielen“, dann können Sie darauf stolz sein, sagte Kai Buschmann, Vorsitzender der FDP-Regionalfraktion (Bildmitte). Dr. Christoph Lütge, Professor für Wirtschaftsethik an der TU München (rechts) und Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS), links im Bild beschrieben einen Form des Wettbewerbs, in dem alle Wettbewerber profitieren. Der Teufel steckt freilich im Detail. Die Region ist Spieler und Schiedsrichter zugleich. Und am Beispiel Breuningerland; Milaneo, Windkraftanlagen und eines aktuellen Wohnungsbauprojektes in Winterbach machte Kai Buschmann deutlich, wo das Problem liegt: Wenn geregelt werde, müssten die Regeln auf alle gleich angewendet werden, „aber mal großzügig, mal kleinlich geht nicht“.

2016-06-30 sommerempfang lütgeAber braucht’s überhaupt Regeln? Funktioniert Wettbewerb nach dem Motto „Das Beste oder Nichts?“ (Werbeslogan) nicht besser. Dr. Christoph Lütge, Professor für Wirtschaftsethik an der TU München, definierte den feinen Unterschied zwischen Krieg, wo es um die Vernichtung des Gegners geht und „Wettbewerb“, wo mal der Eine oder Andere führen kann, aber alle gemeinsam vorankommen. Und definierte dabei auch den Sinn der Bremse, als die Regelungen manchmal empfunden werden am Beispiel des Autos: „Der Sinn der Bremse ist, dass ich damit schneller fahren kann als ohne.“ Gas geben allein reicht nicht.

2016-06-30 sommerempfang roggImmer mehr auf der Bremse stehen bringt aber auch keinen voran, war das dazu passende Fazit bei Dr. Walter Rogg, der die Frage „Abhängen oder mitnehmen?“ damit beantwortete, dass sich auch Regionen im Wettbewerb gegenseitig mitnehmen müssen. Dass die Region Stuttgart vorne ist, hatte er grafisch parat. Aber auch das warnende Wort, dass die Region auch zurückfallen kann, wenn ihre Firmen nachlassen, wenn Verkehr, Datenkabel, kurz Infrastruktur, und notwendige Logistikangebote nicht zum Bedarf der Firmen passen, „dann sind die weg“. Nur, die Menschen, die dachten „für uns reicht‘s schon noch aus“, sind dann noch da und wieder da, wo das Land mal vor rund 200 Jahren angefangen hat. Bettelarm 1.0 sozusagen: „Damals haben die Frauen auf den Feldern die Mäusenester aufgegraben um noch ein paar Getreidekörner für ihre Kinder zu finden.“

Heute diskutieren wir über Industrie 4.0, Einzelhandel 4.0 und im Planungsausschuss der Region über den rechten Weg. „Nicht auf die Konkurrenz eifersüchtig sein, sondern versuchen, den eigenen Weg zu finden“, rät der Wirtschaftsethiker. „Eifersucht, Sich-Gegenseitig-Kleinhalten, Wettbewerbsbeschränkungen sind langfristig der falsche Weg“, sagt Professor Dr. Christoph Lütge.

Und sprach damit Kai Buschmann aus der Seele. Der hatte an diesem Abend den Ball mit der Betrachtung vorgelegt, wo die Region ist: „Championsleague oder Kreisklasse?“. Er hatte dazu die aktuelle Prognosstudie zitiert und dem Kreis Böblingen zum Spitzenplatz (Platz 4) gratuliert und auch den Rest der Region (Stuttgart Platz 7, Ludwigsburg 12, Esslingen 22, Rems-Murr 78 und Göppingen 117) angesichts von insgesamt 402 Wettbewerbern in der Königsklasse verortet: „Wir spielen in der Championsleague der Kreise“.

Er hatte aber auch die Schwachstelle beschrieben, die die FDP-Regionalfraktion („leider fast alleine“) sieht. Es fehlt an der Gleichbehandlung. Windräder sollen in die geschützten Grünzüge, „da hat die Region ganz schön getrickst“. Aus Winterbacher Lehrerwohnungen im Wald soll ein kleines Wohngebiet mitten im Grünzug werden. Da hebelte der Bestandsschutz andere Regelungen aus. Stuttgart bekam mit dem Milaneo ein Rieseneinkaufszentrum – auch da war die Planung älter als die Region, die 1995 gegründet wurde. Und draußen vor der Tür des Marriott-Hotels, im dem der Sommerempfang stattfand, liegt das Breuningerland Sindelfingen aus den 80-ern, da gibt die Region allerdings auf einmal den Bremsklotz mit einem Nein zur gewünschten „Erweiterung im Rahmen der bisherigen Ausprägung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“. Da, sagt Kai Buschmann „arbeitet die Nachbarkommune Böblingen heftig gegen Sindelfingen, weil Böblingen die Shoppingmall Mercaden neu eröffnet hat und man Konkurrenz in nächster Nähe verhindern will“.

Dabei wäre Wettbewerb nach der Methode Einander-Mitnehmen die regional richtige Variante und Linie der Vernunft, so Kai Buschmanns Fazit am Ende der Veranstaltung. Was sich insbesondere aus der Definition des Wettbewerbs durch Professor Dr. Lütge und aus der Beschreibung der kommenden Entwicklung von Dr. Rogg ergibt: Milaneo (laut Wikipedia auf Platz 48 unter den 173 größten Einkaufszentren Deutschlands), die Mercaden (Platz 123) und das Breuningerland (Platz 76) könnten miteinander im Wettbewerb bestehen. Der jetzige Rechtsstreit wäre erledigt. Die Region könnte lernen, „dass es schlecht ist, wenn der Schiedsrichter sagt, ich spiele jetzt auch mit“. Fehlt nur Einigkeit zwischen Böblingen und Sindelfingen auf diese Linie einzuschwenken. Damit wäre dann auch ein Problem erledigt, dass den trifft, der diese Linie verficht und vor dem ihn der Sindelfinger Andreas Knapp gewarnt hat: „Der meinte zu mir, ich würde eines Tages noch in einer Sänfte durch Sindelfingen zur Steinigung nach Böblingen getragen.“

 

Hier die Themen im Überblick:

Kai Buschmann, Vorsitzender der FDP-Regionalfraktion
Championsleague oder Kreisklasse? Die Region als Spieler und Schiedsrichter

Christoph Lütge, Professor für Wirtschaftsethik an der TU München
Kann denn Siegen Sünde sein? Über Konkurrenz und Moral

Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS
Andere abhängen oder mitnehmen? Der Wettbewerb der Regionen